Wissenswertes zur Puppentheatergeschichte Bad Kreuznachs

Wie die Puppentheaterkultur an der Nahe heimisch wurde

Das alte Kreuznach an der Nahe war ein Gastspielort wie jeder andere. Die Puppenspieler "klopften" bei den Beamten der Stadtverwaltung an und ersuchten ergebenst um eine Spielerlaubnis. Dann reisten die großen Komödiantenfamilien mit ihren kleinen Komödianten, den Puppen, an, packten ihr Spielgepäck aus und stellten auf der Festwiese oder im Gasthaussaal ihre transportable Bühne aus Brettern, Stangen und bemalten Stoffen auf. So war für kurze Zeit buntes Theater mit hölzernen Figuren in der Stadt, und der Prinzipal annoncierte seine Unternehmung der "hochverehrten Bürgerschaft von Kreuznach". Schon bald aber wurde wieder eingepackt und die Puppen zogen weiter. Der ein oder andere Bürger wird die lustigen Kapriolen dieses Volksvergnügens eine Zeitlang in Erinnerung behalten haben; die Zeitungsannoncen wanderten im Stadtarchiv zu den Akten.

So geschehen zum Beispiel im Jahr 1886, als das "Original-Kölner-Hänneschen-Theater" eines gewissen Wilhelm Josef Millowitsch (1854-1909) mehrere Gastspiele in Kreuznachs Gasthaus Adler gab. Dann zog er mit seinen Puppendarstellern weiter: dem lustigen Hänneschen, dem liebsten Bärbelchen und dem schrulligen Gespann Tünnes und Schäl. Heute weiß die Theatergeschichte, dass die Familie Millowitsch in Köln sesshaft wurde, als Volkstheater arrivierte und eine bis heute berühmte Schauspieldynastie darstellt.

In Kreuznach und der späteren Badestadt wiederholten sich die Gastspiele in unregelmäßigen Abständen: Puppenspieler kamen und fuhren wieder ab, packten ihre Puppenkoffer aus und wieder ein, klebten Plakate an örtliche Anschlagtafeln - und Wind und  Wetter ließen sie vergilben. Das Kreuznacher Tagblatt berichtete zurückhaltend euphorisch über die Puppendarstellungen; wichtigere lokale Ereignisse überstrahlten diese kulturellen Randnotizen.

Fast alle waren sie da: Von den stilvollen Künstlermarionetten Puhonnys bis hin zur ersten Garde der Handpuppenspieler, den damals schon berühmten Hohnsteiner Puppenspielern. Während sich bei den Marionetten nur ein kleines erlesenes Publikum im noblen Kursaal einfand, war das selbe Spiellokal beim Hohnsteiner Kasper ausverkauft. Vermutlich wollte sich keiner entgehen lassen, die Kinohelden aus den Hohnsteiner Kasperfilmen, die in Schwarzweiss-Streifen wiederholt über die Leinwand der örtlichen "Kammer-Lichtspiele" der Familie Sawatzki flimmerten, nun einmal hautnah und in Farbe auf der Bühne erleben zu können.

Während in Bad Kreuznach die zweite Hohnsteiner Bühne unter der Leitung von Hans Wickert engagiert war, gastierte die Spieltruppe des Gründers der Hohnsteiner, Max Jacob, parallel für mehrere Tage in den benachbarten Großstädten Mainz und Frankfurt. In Bad Kreuznach kam es zu einem biografisch verbürgten Treffen aller Hohnsteiner aus beiden Truppen.

Frischen Wind und eine neue formale Sichtweise brachten nach dem Zweiten Weltkrieg die aufsehenerregenden Gastspiele eines jungen Künstlers aus dem Schwabenland auf Einladung des Kreuznacher Volksbildungsvereins. Kein Geringerer als Albrecht Roser stand am Anfang seiner Karriere und zeigte, damals assistiert von Ina von Vacano, den am Klavier ansteckenden Charme versprühenden Clown Gustaf und die beliebte, aber bisweilen wegen aktueller Bonmots, gefürchtete Oma aus Stuttgart. Die Zuschauer erzählten sicher weiter, was diese strickende Großmutter typisch "Kreuznacherisches" zu berichten wusste, jeder und jede waren vom ganzen Ensemble hin und weg.

Die Damen und Herren des Kulturausschusses der Stadt Bad Kreuznach besuchten 1975 eine Wanderausstellung des Verbandes "Deutsche Puppentheater" in der örtlichen Stadtbücherei und wurden von Franz-Heinz Wolf, einem der Repräsentanten dieses Berufsverbandes, sachkundig in die Vielfalt der ausgestellten Puppentechniken eingeführt. Die Presse hielt Politiker, Figuren und Puppenspieler im Bilde fest - die Ausstellung wanderte anschließend weiter. Diese mobile Ausstellung war begleitet von mehreren Aktionen des "Allrounders" und Puppenspielers Wolf. Seine "Rüsselsheimer Puppenspiele" brachten mit ihm als Solisten mehrere altbekannte Märchen zur Aufführung, bei denen er das Publikum im Saal allerdings mit seiner aktuelllen interaktiven Dramaturgie und offenen Spielweise überraschte. Für die Kreuznacher war das neu.

Etwa zeitgleich, aber an einem anderen Ort, bemühte sich der Westfale Karl-Heinz Rother (1928-2010) nach seinen Möglichkeiten, dem Puppentheater zu größerer permanenter Aufmerksamkeit zu verhelfen. Das Mittel zum Zweck sollte eine private Theatersammlung sein, die ausgehend von Figuren mit hoher gestalterischer Qualität aus Meisterhand, die Betrachter bei Ausstellungen in Bann ziehen sollten. Ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg war 1976 das vom Hamburg-Hohnsteiner Puppenspielermeister Friedrich Arndt eingefädelte Zusammentreffen von Karl-Heinz Rohter und dem Schnitzer Till de Kock. Ort dieser Begegnung, inklusive einer ersten Einweisung Rothers in die Arbeitsmethode de Kocks, war jene Werkstatt des Künstlers im Harz, die Jahre später in Bad Kreuznach zu einem sehenswerten und atmosphärisch-wirkungsvollen Ausstellungsobjekt im Museum werden sollte. In der Rückschau ist dieses Treffen als Katalysator der fortan enormen Sammlertätigkeit Karl-Heinz Rothers zu werten.

Durch rege Kontakte zu allen namhaften westdeutschen Figurengestaltern und Puppenspielgrößen nahm die Sammlung professionelle Züge an. In der eigenen Sicht des Sammlers "wurde Till de Kock nicht nur Lehrmeister in Sachen Figurenschnitzen, er wurde auch für meine Sammlung die wichtigste Bezugsperson."

Aus der Privatsache "Puppenspielsammlung Rother" wurde durch das Interesse und den Kauf des Landes Rheinland-Pfalz zur Jahrtausendwende eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse: Die "Landessammlung Rother" breitete vor einer staunenden Öffentlichkeit erstmalig im Jahr 2000 ihre Schätze im Koblenzer Landesmuseum auf der Festung Ehrenbreitstein aus. Die dort gezeigte "Faszination Figurentheater" wurde zu einem überraschenden Publikumserfolg und erlaubte den Gedanken, das enorme Potential der Sammlung Rother für ein zu gründendes Fachmuseum im Lande zu nutzen.

2005 wurden in Bad Kreuznach wieder einmal Puppenkoffer, Bühnenkisten und Pappschachteln ausgepackt, aber diesmal in ganz großem Stil: "Die Landesssammlung Rother" hielt Einzug in die Nahestadt. Mit ihr ist der Lauf des Unsteten durchbrochen, sie wird nicht wieder eingepackt. Handpuppen, Marionetten, Stockfiguren, Bühnenbilder, ganze Ausstattungen, Plakate und Dokumente gehören zu den ca. 2.000 Theatralia aus der Geschichte des deutschen wie Internationalen Puppentheaters, dem Lebenswerk von Karl-Heinz und Greta Rother. Diese Sammlung bildet fortan den Grundstock des "Museums für PuppentheaterKultur" als Dauerleihgabe des Landes Rheinland-Pfalz.

Im denkmalgeschützten Gebäude des Ritterguts Bangert wurde das einzige Puppentheatermuseum in Südwestdeutschland als dauerhafte Einrichtung der Stadt Bad Kreuznach eingerichtet.

Das ehemalige Hofgutgebäude der Gutsbesitzerfamilie Puricelli, aus dem Jahre 1899, einst genutzt für land- und weinwirtschaftliche Betriebsabläufe, bot durch seine Speicher und Lager den Raum für großzügige museale Theaterinszenierungen. Die historische Bausubstanz fügt sich ein, manchmal spielt sie reizvoll mit, wenn das hölzerne Gebälk aus Getreidespeicherzeiten auf das hölzerne Œuvre der deutschen Figurengestalterszene trifft.

Ein 2002 ins Leben gerufener Förderverein war maßgeblich daran beteiligt, die neu zu entdeckende Theaterform in Bad Kreuznach heimisch werden zu lassen.

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