Ein neues Verständnis von Jugendarbeit
Hassel weiter: "Es ging ja nicht darum, neue Räume für Freizeitangebote von Jugendlichen zu errichten, um sie „von der Straße“ zu holen. Es ging darum, Kinder und Jugendliche als uns nachfolgende Generation zu verstehen, die wir möglichst stark machen wollen für ihren eigenen Weg. Das bedeutet: Mitbestimmung lernen, demokratische Regeln verstehen und lieben lernen, sich selbst kennenlernen und Verantwortung für die Gemeinschaft zu entwickeln."
Deshalb ging der Eröffnung ein dreijähriger spannender Prozess voraus, an dem aus Sicht der damaligen Dezernentin glücklicherweise „alle an einem Strang“ gezogen haben. Auch aus heutiger Sicht sei es keine Selbstverständlichkeit, dass ein Stadtrat ein großes denkmalgeschütztes Anwesen im Herzen der Stadt erwarb und sechsstellige Beträge zur Verfügung stellte, um es umzubauen und Kindern und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen.

Ein Beteiligungsprozess, der Maßstäbe setzte
Gewöhnungsbedürftig sei für den Rat auch gewesen, dass kein Bauplan beim Planungsamt beauftragt wurde, sondern ein Planungs- und Beteiligungsprozess von rund 2000 Kindern und Jugendlichen sowie aller Jugendverbände und Träger der Jugendarbeit vorausging. „Noch heute denke ich mit großer Dankbarkeit an unseren Architekten Roland Becker zurück, der diesen Beteiligungsprozess mit großer Empathie, Fachwissen und Geduld durchführte“, so Martina Hassel. Es war einer der ersten Beteiligungsprozesse von Kindern und Jugendlichen in dieser Größenordnung in Rheinland-Pfalz und er habe gezeigt, dass dies gelingen könne.
Einen solchen Prozess zu starten und sicher in die Zukunft zu führen, setze ein hochkompetentes und erfahrenes Team voraus, dessen Motor bereits zu Beginn die spätere langjährige Leiterin der Abteilung, Katharina Becker, gewesen sei. Sie brachte jede Menge Erfahrungen mit aus der Leitung des „Gonso“ in Mainz, aus ihrer Zeit als Jugendpflegerin des Kreises Bad Kreuznach, als Begründerin der Mädchenarbeit und dem zugehörigen Netzwerk und ihren fortlaufenden Weiterbildungen als Erlebnispädagogin, Gesprächsberaterin (Rogers) und partizipativer Jugendarbeiterin.
Gemeinsam mit ihr sei es gelungen, die Abteilung Jugendförderung der Stadt zu einer kooperativen Unterstützerin der Kinder- und Jugendarbeit in der Stadt zu machen und damit alle haupt- und ehrenamtlichen Anbieter in der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt auf Augenhöhe zu vernetzen.
„Bis heute entdecken wir Katharina Beckers Handschrift in der Mühle - rein optisch z B. in den wunderschönen Mosaiken, die den Eingangs- und Treppenbereich der Mühle einmalig machen.“
Pioniere der Qualitätsentwicklung und lebendige Jugendszene
„So weit ich weiß, sind wir auch Pioniere gewesen bei der Entwicklung eines transparenten und überprüfbaren Qualitätsprozesses in der Kinder- und Jugendarbeit, für den Christoph Gilles, Leiter des Sachgebietes Jugendhilfeplanung, Fortbildung und Modellförderung im Landesjugendamt Rheinland in Köln, gewonnen werden konnte“, meint Martina Hassel. Ein solcher Prozess setze die Bereitschaft voraus, sich selbst immer wieder neu zu fragen, ob man noch „das Richtige“ in „der richtigen“ Art und Weise tue und Kinder und Jugendliche darauf die Antwort geben lasse.
Das öffentliche Interesse an der Mühle führte dazu, dass der Farbphilosoph und Industrie-Designer Friedrich Ernst von Garnier im Jahr 2006 kostenlos mit Jugendlichen ein Farbkonzept für die Mühle entwickelte und auch umsetzte.
Aus den ersten Jahren der Mühle nennt Martina Hassel noch einen, der von den Jugendlichen sehr geschätzt wurde. „Manfred Kröhl war nicht nur Hausmeister, sondern auch Bassist in einer Band. Da war er für den Musiknachwuchs, der in der Mühle probte, begehrter Ansprechpartner.“
In der Mühle schlug auch die Geburtsstunde der "BK City Kids", die später als "Own Risk" Weltmeister im Hip-Hop wurden. Sie seien ein hervorragendes Beispiel für gelingende Jugendarbeit: den Freiraum anbieten, sich zu erproben, Wertschätzung und verlässliche Unterstützung.
Martina Hassel ist SPD-Stadtratsmitglied und stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. Ihr Ziel ist es, die Standards der Jugendförderung zu sichern und weiterzuentwickeln.
Bild: Jubiläumsplakat 25 Jahre "Die Mühle"
