Johann Michael Holtermüller (1865-1931): Diener, Kartograph in Afrika, von Erlanger‘scher Privatförster und städtischer Waldwärter in Kreuznach


Am 17. Oktober 1896 folgte von Erlangers zweite Forschungsreise durch Tunesien, auf der ihn Johann Michael Holtermüller begleitete, der als Lagerverwalter und für die Lebensmittelversorgung zuständig war. Die zweite Expedition endete am 24. Juli 1897 auf afrikanischem Boden. Nach intensiver Vorbereitung organisierte Carlo von Erlanger seine dritte Afrikareise, die ihn 1899 – 1901 nach Abessinien in Nordost–Afrika führte. Wieder dabei Holtermüller und der aus Nieder-Ingelheim stammende Carl Hilgert. Der Gruppe schlossen sich der Mediziner Dr. Ellenbeck und der Ornithologe Oskar Rudolph Neumann an. Holtermüller war, wie Hilgert, gezielt auf die Aufgaben in Äthiopien vorbereitet worden. Paul Sprigade, ein deutscher Kolonialkartograph, der sich mit den geographischen Ergebnissen der Expedition von Erlangers in Nordost-Afrika beschäftigte und diese auswertete, erwähnt in einem späteren Bericht: „Der Bearbeiter (Sprigade) hatte selbst Gelegenheit, die Exeditions-Mitglieder vor ihrer Ausreise in der Art des Routen-Aufnehmens zu unterweisen, die in allen unseren deutschen Kolonien mit so hervorragendem Erfolge zur Anwendung kommt…“. Er schilderte darin, dass Holtermüller 10 Tagebücher mit topographischen Aufnahmen gefüllt hatte, insgesamt 131 Tagesmärsche absolviert und in diesem Zusammenhang ca. 2325 km Weg zurückgelegt hatte. Sprigade lobte ausdrücklich Holtermüllers eisernen Fleiß, seine Hingabe und Ausdauer bei den Peilungen und Aufnahmen, die auf diese Weise zu außerordentlicher Genauigkeit geführt hätten. Holtermüller hatte über weite Strecken völlig unbekannte Gegenden auf dem Kontinent kartographiert und schon bestehende Routen entweder bestätigt oder als ungenau entlarvt. Die Ergebnisse seiner Arbeit waren für die Forschung aber auch politisch und geostrategisch wichtig, da sie den Kolonialverwaltungen exaktes Material für Kartenwerke zur Verfügung stellte. Zurück in Deutschland präsentierte Carlo von Erlanger seine Forschungsergebnisse auf Vortragsveranstaltungen. Er starb am 4. September 1904 in Salzburg an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Holtermüller übernahm im Juli 1902 die durch den Tod des von Erlanger´schen Privatförsters Jacob Hoos vakant gewordene Stelle in Kreuznach bei Ludwig von Erlanger, einem Verwandten von Carlos Vater. Er lebte in der Försterwohnung auf Schloss Rheingrafenstein. In jährlich wiederkehrenden Anzeigen, welche die Holzversteigerungen auf dem Hofgut Rheingrafenstein ankündigten, wurde Holtermüller von 1906 bis 1910 in seiner Funktion als Förster in der „von Erlanger‘schen Verwaltung“ als Ansprechpartner der Steigerer genannt. Am 2. Februar 1904 heiratete er Anna Elisabeth Pflug, die Tochter des Pächters, der das Hofgut Rheingrafenstein bewirtschaftete. Auf Schloss Rheingrafenstein, wurden 1905 und 1910 seine Söhne Hans Georg und Karl Valentin geboren. Am 24. November 1911 verkaufte die Baronin von Erlanger nach dem Tod ihres Mannes das Schloss- und Hofgut Rheingrafenstein zusammen mit dem Rheingrafensteiner Wald an die Stadt Kreuznach. Holtermüller versah, weiterhin seine Aufgaben im ehemals von Erlanger‘schen Wald und zeigte sich ab Sommer 1912 bereit, im Auftrag der Stadt auf dem Schloss Rheingrafensein eine Gartenwirtschaft zu betreiben, was ihm am 23. Mai 1912 durch den Beschluss des „collegialischen Gemeindevorstandes“ genehmigt wurde. Dafür nutzte er den früheren Rittersaal des Schlosses und den Schlosshof. Für den Betrieb der Gartenwirtschaft wurden Tische, Stühle, Tischdecken, Teller, Tassen mit Untertassen, Teetassen sowie Zuckertellerchen und Rahmkännchen, Kännchen und Milchkannen sowie Besteck und Bier-, Remischen-, Cognac- und Milchgläser angeschafft, ferner Servierbretter, Salz- und Pfefferstreuer, eine Messerputzmaschine, Schoppengläser und ein Restaurationsschild. Die Kosten trug die Stadt. Am 1. Juni 1912 warb Holtermüller in den Tageszeitungen für sein „Kaffee Restaurant Rheingrafenstein“, das er anpries, „ein schön gelegener Ausflugsort mit großem schattigen Park, wo der Besucher reine Weine, Bier, Kaffee, Tee und Kakao sowie frischen Kuchen“ angeboten bekam. Wenige Tage später konnte der aufmerksame Leser der lokalen Presse erfahren, dass das von der Stadt erworbene Schloss Rheingrafenstein mit der zu Pfingsten eröffneten Restauration ein interessantes, da romantisch gelegenes Ausflugsziel sei und dass man sich entzückt über den herrlichen Park mit seinen mächtigen Baumriesen und über die historisch-interessante Einrichtung des alten Rhein- und Wildgrafenschlosses zeige.

Holtermüller stellte den Betrieb wegen Unstimmigkeiten mit der Stadt jedoch am 1. Oktober 1912 wieder ein. Nachdem der Stadtförster Aloys Willig ab 1. Juli 1913 in den Ruhestand getreten war, wurde Holtermüller gebeten, dessen Stelle zunächst provisorisch als Waldwärter zu übernehmen, was er bis zum 1. Juli 1914 für die Forsten Spreitel, Rheingrafenstein und Lohr übernahm. Die Stadt stellte ihm in Aussicht, dass, wenn bis zu dem genannten Zeitpunkt eine Stelle bei der Stadtverwaltung frei werden sollte, er diese übertragen bekäme. Zu Beginn des Jahres 1914 verließ Holtermüller die Försterwohnung im Schloss, um sich am Neufelderweg 59 mit seiner Familie niederzulassen. Der neue Stadtförster Alfred Karl Albert Kochanowski trat am 1. Juli 1914 seine Stelle an, zog in das städtische Forsthaus Spreitel und übernahm das komplette Revier Spreitel mit dem Rheingrafensteiner Wald. Holtermüller wurde als Waldwärter in der Lohr eingesetzt. Kurz darauf brach der Erste Weltkrieg aus und Alfred Kochanowski zog vom 1. September 1914 bis 5. November 1918 in den Krieg. Holtermüller übernahm dessen Aufgaben, bis der Krieg zu Ende war. Er vertrat in den kommenden Jahren den Förster im Urlaub und bei Dienstreisen und auch, als Kochanowski während der französischen Besatzungszeit wegen Beleidigung der französischen Uniform verhaftet wurde und 1919 eine kurze Gefängnisstrafe von 35 Tagen absitzen musste, weil er französischen Soldaten, die er beim Wildern erwischte hatte, das Gewehr abgenommen, die Patronen entfernt und einem französischen Soldaten den Strohhalm aus dem Mund gerissen hatte. Holtermüller blieb weiterhin städtischer Waldwärter. Sein Einsatz in der Lohr endete jäh am 21. September 1931 durch fünf Kugeln. Die Leiche des 66 jährigen wurde am Dachskopf im Lohrer Wald, unweit des Steinbruchs gefunden. In Folge der Ermordung Holtermüllers kam es zu Verhaftungen und Hausdurchsuchungen in verschiedenen Stadtteilen Bad Kreuznachs. Der Mörder wurde nicht gefunden. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. Beigesetzt wurde Holtermüller auf dem städtischen Friedhof. Eine Gedenktafel, die im Lohrer Wald angebracht war und an dieses Verbrechen erinnerte, wurde 1964 entwendet.

Die knapp dargestellte Biografie von Holtermüller zeigt ihn zum einen als Begleiter eines bedeutenden Ornithologen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, dessen Hauptsammlung heute im Senckenberg Museum in Frankfurt am Main bewahrt wird. Zum anderen als Persönlichkeit, die sich als Autodidakt in ausgezeichneter Weise als Kartograph hervorgetan hat, womit er einen Beitrag bei der Erforschung unbekannter Gebiete in Afrika leistete, zumal seine Aufzeichnungen als Grundlage eines Kartenwerks dienten, womit er einen Beitrag zur (deutschen) Kolonialgeschichte in Afrika leistete.

Johann Michael Holtermüller ist nur einer von vielen Kreuznacher Forstbediensteten, die sich wie die Privatförster Heinrich Saleck, Josef Ochs, Jacob Hoos, Valentin und Julius König, oder städtischen Förster wie Johann Petermann, Eberhard von Lehenner, Conrad Kuhn, Carl Bauer, Franz Wenz oder Alois Willig etc. um den Kreuznacher Stadtwald verdient gemacht haben.

Die im Stadtarchiv überlieferten Unterlagen über städtische und private Forstbedienstete sind dürftig. Fotomaterial und lebensgeschichtliche Unterlagen über vorgenannte Personen sind nicht oder kaum überliefert.

Das Archiv sucht deshalb für die wissenschaftlichen Bearbeitung der Geschichte des Kreuznacher Stadtwaldes, der lange als Eichenschälwald insbesondere für die ansässigen Gerbereien genutzt wurde, generell Unterlagen, Fotos und diverse private Aufzeichnungen zu den Themen Jagd, Arbeit im Wald (Holzhauertrupps, Rindenschäler, Frauenkolonnen im Camp etc.), Freizeitgestaltung im Wald und Vereinstätigkeiten im Wald. Außerdem Fotos, Gemälde, Zeichnungen und Skizzen von dem Kreuznacher Wald.

Bekannt ist, dass sowohl aus Hallgarten, Feil und Bingert ganze Trupps an Waldarbeitern über Jahrzehnte sowohl für die Stadt Kreuznach als auch die Privatwaldbesitzer arbeiteten. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere auch an Erzählungen seiner Vorfahren darüber oder verfügt über Fotografien. Besonders interessant wären auch Informationen über den Gauchsberg, der bis 1913 zum Kreuznacher Stadtwald gehörte. Der behandelte Zeitraum der Untersuchung erstreckt sich auf die Jahre bis 1918.

Wer also Hinweise hat, möge sich bitte an die Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann wenden:

Stadtarchiv Bad Kreuznach, Dessauerstraße 49, 55545 Bad Kreuznach.

Tel.: 0671 / 9201162, telefonisch erreichbar ist das Archiv Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr. An den anderen Tagen bitte folgende Telefonnummer anrufen: 0671 / 800 223.

Mail: stadtarchiv@bad-kreuznach.de oder franziska.blum-gabelmann@bad-kreuznach.de.

Im Lexikon Kreuznacher Persönlichkeiten (LKP), das Sie auf der städtischen Website einsehen können, erfahren Sie mehr über Johann Michael Holtermüller.


Leinpfad-Verlag. Carlo von Erlanger, Wie ein Blick in die Lande eines schöneren Edens. Zwei Expeditionsberichte. Hrsg. Angelika Schulz-Parthu. Ingelheim 1007, S. 29. (Holtermüller außen rechts)

Geographische Ergebnisse der Expedition Carlo Freiherr von Erlanger in Nordost-Afrika 1899-1901l.

OeA 1.6.1912

OeA 22.9.1931

Stadtarchiv MS Prospekte (Blick in den Schlossinnenhof)

Stadtarchiv MS Prospekte (Blick durch das Schlosstor, dort Pächter Hugo Richter)

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