Haus der Stadtgeschichte

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Stadtarchivarin vermittelte den Kontakt

Geschichte im Zeitzeugengespräch lebendig gemacht


 Mit den Erinnerungen an die Ruinen des Wolfgangschors war man recht schnell beim Thema. Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses 11 hatten sich mit einem umfangreichen Fragenkatalog auf das Interview vorbereitet. Wie veränderte sich der Alltag im Dorf, in der Familie und in der Schule unter dem zunehmenden Einfluss der Nationalsozialisten? Können Sie von Freunden berichten, die vor den Nazis flohen oder deportiert wurden? Welche Gedanken, Erwartungen und Ängste hatten Sie, als der Krieg ausbrach? Sind Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn im Krieg gefallen? Wie ging man persönlich und als Dorfgemeinschaft mit diesen Schicksalen um? Diese waren nur einige der Fragen, die die Jugendlichen stellten. Auch die Errichtung der Kriegsgefangenlager Bretzenheim, Planig und Biebelsheim und die Aufnahme von Flüchtlingen waren Themen des Nachmittags.

 Wilhelm Merkelbach (Auf dem Foto links)  erfuhr in seiner Kindheit die Nachwirkungen des 1. Weltkrieges, erlebte die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wurde Zeuge der Gräueltaten in der Reichspogromnacht, musste Abschied nehmen von Freunden, die sich vor der Deportation retten wollten und zu Verwandten flohen, kam als 10jähriger zum Jungvolk und wurde mit 16 Jahren zum Reicharbeitsdienst einberufen.  Die detaillierte Schilderung seines Weges von Thüringen über Österreich nach Tschechien und der geglückten Desertation ließ die Jugendlichen gebannt lauschen. Auch wurde Merkelbach im Kriegsgefangenlager Bretzenheim inhaftiert, wo er zum Glück nur kurz um sein weiteres Schicksal bangen musste. Der Weitertransport ins Arbeitslager nach Frankreich blieb ihm erspart. „Da hatte ich Glück!“, war ein Satz, der im Interview häufig fiel – ein Ausspruch, der den Jugendlichen die Gefahr und die Ohnmacht der Menschen in den Kriegsjahren vor Augen führte.

 Mitgebracht hatten die Brüder zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum, darunter Aufnahmen der Planiger jüdischen Familie Wolf. Die Familien Merkelbach und Wolf waren eng befreundet. Man lud sich gegenseitig zum Kaffee ein und die Kinder spielten miteinander. Die unbeschwerte Zeit endete jäh mit der Pogromnacht 1938, als das Mobiliar der Familie Wolf in Planig zerstört wurde und sie zu Verwandten nach Köln flohen. Von dort wurden sie in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Ein Junge der Familie Wolf überlebte, kam nach dem Krieg zurück nach Planig und verlor auf tragische Weise bei einem Autounfall sein Leben. Wolfgang Merkelbach, damals ein Kindergartenkind, erinnerte sich an die Szene, als der junge Erich Wolf im Kindergarten vorgestellt wurde, dem Ort, an dem sein Zuhause gewesen war. Wie präsent diese Erinnerungen bei den Zeitzeugen waren, spürte man im gesamten Gesprächsverlauf.

 Beiden ist es ein großes Anliegen, die Erinnerung an die Vergangenheit wachzuhalten, dem Vergessen entgegenzuwirken. Zu den Schicksalen der jüdischen Planiger Bürger*innen werden sich die Schüler*innen mit Unterstützung durch das Stadtarchiv auf Spurensuche begeben, da im Sommer 2022 die Verlegung von Stolpersteinen erfolgen soll. Das Zeitzeugeninterview mit den Herren Merkelbach war ein beeindruckendes Erlebnis für die Jugendlichen und bildete den Auftakt für weitergehende Recherchen zur Regionalgeschichte.

Text: Sandra Glanzmann, Gymnasium an der Stadtmauer




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