Obdachlos
Meine Zeit läuft mir nicht weg
aber ich laufe vor meiner Zeit davon
wenn ich durch die Straßen schleiche
schlage ich nirgendwo Wurzeln
Ich gehorche einem inneren Zwang
mich nicht zu verorten
ich weiche einer Behausung aus
um keine Heimat zu finden
Wechselnde Geschichten spielen mit mir
vernebeln mein Gefühl für meine innere Wirklichkeit
ich labe meine Seele an der unsteten Bewegung
trotze meiner eigenen Bedürftigkeit für ein neues Zuhause auf Dauer
Manchmal treffe ich auf Blicke
kurze freundliche - lange taxierende
sie zeigen ihre Beob-achtung
Achtung kommt mir selten entgegen
Gegenüber liegen die Paradiese des Alkohols
aufgewogen mit den Silberlingen vorbeieilender Passanten
bleiben nicht mehr viele Prozente für den Genuss
der Zins meines Lebens geht gegen Null
die Kälte zieht bis ins letzte Glied meiner Existenz
Wärme ist nicht alleine eine Frage des Tuchs
ich friere mich kaputt an meiner eigenen Geschichte
ich ließ nur immerzu zu sie falsch zu erzählen
ein kleines Lächeln huscht über meine Züge
mein Hund leckt mir den verfilzten Bart frei
sein Sabbern hält mich am Leben
gemeinsam betteln wir trotz allem um eine Zuflucht
Von Markus Bach
geschrieben am 19.10. 2016
Foto: Corona trifft die Ärmsten in besonderem Maße. Obdachlose und ihr Lager auf der Reeperbahn in Hamburg. Foto: Caritas