Gedemütigt und Diskriminiert

Der steinige Karriere-Weg zur ersten Mathematikprofessorin Deutschlands – Schulbildung in Bad Kreuznach


"Lange hat Ruth Moufang unter Diskriminierung, Kränkung und Demütigungen gelitten, weil man ihr als Frau den Weg zu einer großen Karriere als Wissenschaftlerin versperrte“, so die Oberbürgermeisterin.

Nach Staatsexamen und Promotion in den Jahren 1929/1930 stand Ruth Moufang der Weg zu einer großen Wissenschaftlerin offen. Nach Lehraufträgen in Marburg und Königsberg kehrte sie 1933 an die Goethe-Universität in Frankfurt zurück, wo sie 1925 ihr Studium begonnen hatte.  Doch das Klima hatte sich verändert. Ihr Doktorvater, der Mathematiker mit internationaler Reputation, Max Dehn, und weitere Wissenschaftler mussten fliehen, weil sie als Juden vor den Nationalsozialisten nicht mehr sicher waren. Trotz Fürsprache des Rektors der Universität verweigerte ihr das zuständige Ministerium im März 1937 die Lehrerlaubnis mit folgender Begründung: „Da dem Dozenten im Dritten Reich außer seinen wissenschaftlichen Leistungen wesentlich erzieherische und Führereigenschaften voraussetzende Aufgaben zufallen und die Studentenschaft fast ausschließlich aus Männern besteht, fehlt den weiblichen Dozenten künftig die Voraussetzung für eine ersprießliche Tätigkeit.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte Ruth Moufang sich bereits einen Namen in der Wissenschaft gemacht und bereits Beachtliches geleistet. Mehrere geometrische Strukturen wurden nach ihr benannt. Sie verließ die Universität und arbeitete beim der Firma Krupp in der Forschung und befasste sich dort mit theoretischer Physik. Ach dort wurde sie gedemütigt. Als einzige Abteilungsleiterin (ab 1942) war sie von Kollegen-Treffen ausgeschlossen, weil diese als „Herrenabende“ deklariert wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte ihr Weg wieder zur Universität in Frankfurt. Doch dort sollte es sechs Jahre dauern, bis sie im Juni 1951 verbeamtet und zur ersten Mathematikprofessorin in Deutschland berufen wurde. Dank ihrer internationalen Reputation wurde sie dann 1957 Ordinarius (Lehrstuhlinhaberin). Doch die Demütigungen hatten damit noch kein Ende. In den 1960er-Jahren war sie als Direktorin des mathematischen Instituts der Uni Frankfurt zwar zum einen Treffen der Nobelpreisträger*innen in Lindau am Bodensee eingeladen. Doch Zugang hatte sie dort nur zum „Damenprogramm“.  „Man will es nicht glauben“, kommentiert die OB diese unwürdige Behandlung. Die ersten Nachkriegsjahre waren für Ruth Moufang hart. Denn sie musste auch für ihre Mutter (der Vater heiratete 1928 ein zweites Mal) und für ihre Schwester sorgen.

Dabei hatte es für Ruth Moufang so gut begonnen. Geboren wurde sie am 10, Januar 1905 in Darmstadt. 1911 zogen die Eltern Eduard und Else Moufang mit den Töchtern Erika und Ruth nach Bad Kreuznach. Dort besuchte Ruth bis 1921 das städtische Lyzeum (heute Lina-Hilger-Gymnasium). Dann wechselte sie auf das staatliche Realgymnasium (Gymnasium an der Stadtmauer). In einem Beitrag für den Frauenkalender 2005 – herausgegeben von der damaligen städtischen Frauenbeauftragten Pia Reuter – hatte die Studentin Stefanie Radke (Uni Oldenburg) ein Porträt über Ruth Moufang geschrieben: „Auf dem Realgymnasium wird schließlich der Einfluss des Mathematiklehrers Dr. Wilhelm Schwan bedeutend gewesen sein. Nicht zuletzt ist dies auch an der Beteiligung der beiden Schwestern (Anm. Ruth und Erika) an seinem 1929 veröffentlichten Buch ,Elementare Geometrie` abzulesen.“  Eine Förderung in den Naturwissenschaften hatten die beiden Mädchen auch durch ihren Vater, der Chemiker war.

An ihre Forschungsleistungen der 1930er-Jahre konnte Ruth Moufang nicht wieder anschließen. Sie trug aber wesentlich zum Wiederaufbau des Seminars für Mathematik an der Goethe-Universität bei.  In Frankfurt ist nach ihr eine Straße benannt. Außerdem tragen zwei Preise der TU Darmstadt, der Geburtsort von Ruth Moufang, ihren Namen:  Der Promotionspreis, der einmal pro Jahr verliehen werden kann, an eine Frau mit einem sehr guten Ergebnis im Fachbereich Mathematik promoviert hat und der Postdoktorandinnen-Förderpreis.

„Ruth Moufang war ein außergewöhnlich warmherziger und liebevoller Mensch und zudem beharrlich, kämpferisch und sehr emanzipiert“, erzählt Hartmut Riehn, der Ruth Moufang persönlich gekannt hat. „Sie hat mich 1967 als juristischer Mitarbeiter des Uni-Rektors empfohlen.“ Riehn leitete dreizehn Jahre lang die juristische Abteilung der Goethe-Universität Frankfurt und war dann Vorsitzender Richter des Verwaltungsgerichtes in Gießen. Seit seiner Pensionierung arbeitet der 86-Jährige als Hochschulanwalt in Berlin. Riehn verantwortet zudem die Homepage der Studentenbewegung Frankfurt und hat Ruth Moufang dort ein großes Porträt gewidmet.


Foto: Homepage Studentenbewegung Frankfurt

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