René Blättermanns Glaskunstwerk steht für die wechselvolle Geschichte jüdischen Lebens


Für Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer war es ein „ganz wunderbarer Tag“. In ihrem Grußwort erinnerte sie daran, dass die ehemalige Kirchenkapelle der US Armv vor 15 Jahren zu einer Synagoge umgestaltet und im September 2002 feierlich eingeweiht wurde. Sie lobte die Gemeinde für ihre „gute Jugendarbeit“ und bedankte sich für die hohe Spendenbereitschaft, die das Kunstwerk ermöglichte. „Sie als Gemeinde können sehr stolz auf sich sein.“ In seiner Begrüßung sprach Vorsitzender Valeryan Ryvlin von einem „Tag der Freude“ und sagte weiter: „Wir sind eine offene, liberale und gastfreundliche Stadt.“ Die Synagoge sei auch eine Begegnungsstätte für alle Religionen und Kulturen. Der Einladung zur Einweihung waren auch Repräsentanten der christlichen und muslimischen Gemeinden der Stadt gefolgt. Mehrfach betonte Ryvlin den Dank an die Sponsoren und insbesondere der Projektgruppe unter der Leitung von Werner Fuchs, ehemals Vorstandsmitglied der Landesbank Rheinland-Pfalz.

„Wir fühlen uns in Deutschland beheimatet. Und dabei sehen wir die Politik auf unserer Seite.. Das gibt uns ein sicheres und gutes Gefühl“, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz, Avadislav Avadiev, in seinem Grußwort. Den Dank für eine gute Zusammenarbeit gab Edmund Elsen (Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur) zurück. Elsen vertrat Ministerin Doris Ahnen, die wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht an der Feier teilnehmen konnte. Grußworte sprachen auch Kreisbeigeordneter Hans-Dirk Nies, der Landrat Franz-Josef-Diel vertrat, und der Birkenfelder Landrat Dr. Matthias Schneider

Bewegende Augenblicke gab es, als Nikolaus Blättermann ans Mikrofon  trat. Über Jahrzehnte war der 95-Jährige  der Repräsentant der jüdischen Gemeinde: „ Ich danke Gott für die Gnade, diesen Tag noch erleben zu dürfen.“ Durch das Fenster, von seinem Sohn geschaffen, habe das Gotteshaus an „Schönheit und sakraler Ausstrahlung immens gewonnen.“ Als Vater und Sohn sich umarmten, erhoben sich die Gäste zum lang anhaltenden Applaus. „Meine größte Freude ist, dass sich mein Wunsch, der Synagoge ein besonderes Kunstwerk zu widmen, erfüllt hat“, sagte der Künstler René Blättermann, der sich auch darüber freute, dass für das Kirchenfenster die edelsten Gläser aus der weltweit renommierten Glasfirma Derix (Taunusstein)  verwendet werden konnten.

Maßgeblichen Anteil an der Realisierung des Projektes hat Werner Fuchs. Er war der Motor für das durch Spenden finanzierte Projekt, das rund 90.000 Euro kostete. „Wir dürfen bei diesem Kunstwerk eine in höchstem Maße gelungene Symbiose jüdisch-christlichen Denkens erleben, wie wir es von Anfang an erstrebt, aber in der erlebten Intensität so nicht für möglich gehalten hätten.“ Fuchs, auch ein großer Förderer des neuen „Hauses der Stadtgeschichte“, gab außerdem noch mit auf den Weg,, dass das dort entstehende Bürgerarchiv die geeignete Institution ist, „in Erinnerung zu rufen und wachzuhalten, was auch und gerade jüdische Mitbürger für diese unsere Stadt geleistet und bewirkt haben. In diesem Sinne können wir ein Zeichen der Verbundenheit und der Hoffnung setzen und uns stets daran erinnern, was Gründungsimpuls dieser Republik war.“

Nach der feierlichen Enthüllung des Kirchenfensters hielt Almut Jürgensen ein Vortrag über die religiöse Bedeutung des Kunstwerkes. Dabei erinnerte sich auch an die Opfer des Völkermordes an den Juden. Die „schwarzen Schatten“ in dem Fenster, als Kontrast zu den bunten Farben symbolisieren Trauer, Verletzung, Vernichtung und Tod. In Bad Kreuznach gibt es eine Schule und einen Weg, die den Namen Sophie-Sondhelm tragen, ein Opfer des Nationalsozialismus, so Jürgensen. Sie zitierte dabei einen Bericht in einer jüdischen Wochenzeitung über ein Mädchen, Gertrud Katzenstein, das vor 80 Jahren im jüdischen Kinderholungsheim Bad Kreuznach, den „Simchat Torat“, dem Fest der Freude an der Tora, feierte. „Mit Fahnen zogen wir durch das ganze Heim und sangen jüdische Lieder. Es wurden Nüsse, Bonbons  und Schokoladenzigaretten verteilt.  Ich bekam als Geschenk ein schönes Buch. Das werde ich nicht so schnell vergessen,“ so die damals Elf-jährige.


Wie schön, dass jüdische Kinder in Bad Kreuznach in ihrer Synagoge wieder ihre Feste feiern können, ging da so manch einem der Besucher durch den Kopf. Dazu passte das Schlusslied „Hallelujah“ des Jugend- und des Erwachsenen-Chores der jüdischen Kultusgemeinde Bad Kreuznach/Birkenfeld.

Hansjörg Rehbein

Simchat Tora vermittelt Aspekte jüdischer Kultur und Religion

Das Glaskunstwerk erinnert an die wechselvolle Geschichte jüdischen Lebens in der Region und in Bad Kreuznach. Das Werk besteht aus sieben Bedeutungsebenen, angelehnt an die tiefgründige Symbolik der Zahl Sieben in der Tora.

Der Hirsch steht in der Tora für Kraft, Schnelligkeit, Reinheit und Liebe. Das verwendete Motiv ist ein Scherenschnitt zum Schmuck einer Laubhütte und weist auf das Laubhüttenfest Sukkot (Erntedankfest)hin und erinnert auch an die Wüstenwanderung der Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten).

Der mittelalterliche Steinfries eines oberrheinischen Bethauses birgt ein Steinornament aus Jerusalem sowie Fragmente des Toravorhanges der zerstörten Kreuznacher Synagoge. Dies symbolisiert den Tempel. Der seine Entsprechung findet im Haus der Versammlung, der Synagoge.

Mit dem Wasser (Wasserschöpffest) als lebensspendendes und reinigendes Element erhoffen sich die Juden einen lebendigen Quell im Tempel. Der hebräische Buchstabe Schin steht hier für den ersten Buchstaben des jüdischen Glaubensbekenntnis „Schma Jisrael“, ein Symbol für den inneren Frieden, die Kraft der Tora und den spirituellen Aufstieg.

Der Berg Sinai ist nach Überlieferung Ort der Offenbarung Gottes und die Übergabe der Tora an Mose. Im Kunstwerk int der Berg die metaphorische Ebene für den jährlichen Lesezyklus der fünf Bücher Mose, der mit Simchat Tora, dem Fest der Freude an der Tora, endet und beginnt. Das Kunstwerk zeigt den Schatten einer Menora aus der Bad Kreuznacher Synagoge. Der siebenarmige Tempelleuchter mit seinen vielseitigen Interpretationen wird oft auch als Lebensbaum dargestellt. Zur Menora hin öffnet sich die Rundung des Schofar  Das Widderhorn steht hier für das Schofarblasen zum Abschluss des höchsten jüdischen Feiertages Jom Kippur, des Versöhnungstages.

In der Einladung schreibt René Blättermann: „So spannt das Kunstwerk den Bogen von der Wüstenwanderung bis zur Übergabe der Tora, würdigt den Tempel und die Synagoge mit ihrem jährlichen Zyklus der Lesung und der Freude an der Weisung, bezeugt das Glaubensbekenntnis und vereint die Erinnerung an Bedrückung und Flucht mit der Kraft der Versöhnung.“

Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer freute sich mit Nikolaus und René Blättermann über das wunderschöne Glaskunstwerk.

Auch für Heinz Hesdörffer war dies ein besonderer Tag. 1923 als Sohn eines jüdischen Schokoladen- und Zuckerwarenfabrikanten in Bad Kreuznach geboren überlebte er das Grauen des Holocausts und gründete nach seiner Rückkehr nach Deutschland eine Stiftung, die die Gedenkarbeit mit Jugendlichen fördert.

Werner Fuchs hat als Motor der Projektgruppe maßgeblichen Anteil an der Realisierung des Projektes "Kirchenfenster für die Synagoge".

Bei Werner Fuchs und seiner Projektgruppe bedankte sich der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bad Kreuznach/Birkenfeld, Valeryan Ryvlin, mit Präsenten: Lichtdesigner Heiko Gruber, den Baufachleuten Hans Bergs und Jürgen Rothenberger (von liinks).

Für den musikalischen Rahmen sorgten der Jugend- und der Erwachsenenchor der jüdischen Gemeinde.

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