Bilanz und Perspektiven der Städtepartnerschaft


Denn eines ist für ihn und GuT-Geschäftsführer Dr. Michael Vesper klar: Ohne einen Prozess der in­haltlichen Neupositionierung droht die Gefahr, dass sich diese Form der Städtekorporationen und Bürgerbegegnungen irgendwann überlebt haben können.


Die Zahlen belegen eindrucksvoll diese Entwicklung: Honoratioren- und Verwaltungsdelegationen mit jeweils 26 Teilnehmern waren es, die 1963 und 1964 in Bad Kreuznach und Bourg den Anfang mach­ten. Wäre es dabei geblieben, hätte sich die Städterpartnerschaft schnell erledigt. Sie wurde aber dank der Mitwirkung von Vereinen und Schulen zu einem nachhaltigen Erfolg – es entstanden lang­fristige Bindungen. Motor der Jumelage waren dabei stets hoch motivierte Verantwortliche in den Lehrerkollegien oder Vereinen. Lag die Zahl der Begegnungen bis Mitte der 70er Jahre stets bei etwa 20 Personen so ergab sich ab 1975 ein sprunghafter Anstieg, weil nun erst der Schüleraustausch rich­tig anlief. 1984 waren es 51 Besuche mit 1.750 Teilnehmern in Bourg oder in Bad Kreuznach. Zum 25jährigen Jubiläum beteiligten sich gar beiderseits 112 Organisationen mit 2.680 Personen. Schon danach sanken die Zahlen allmählich ab, erreichten aber 2003 zum 40 jährigen Jubiläum noch einmal 60 Begegnungen mit 1.100 Bürgern. In den folgenden Jahren gingen die Zahlen jedoch schnell herun­ter und sanken sogar unter das Niveau der Anfangsjahre. Mit dem Tiefstand 2010/ 2011 (16 Begeg­nungen – ca 400 Teilnehmer). Das Jubiläum brachte dann mit 54 teilnehmenden Schulen und Verei­nen und 1.100 Personen noch einmal einen Höhepunkt, der an das Jubliäum von 2003 anknüpfen konnte. „Es ist aber nicht zu übersehen, dass die Tendenz in Normaljahren stark rückläufig ist. Es steht ein Generationswandel an“, betont Heinrich. Vor ganz anderen Problemen steht von Anfang an die Partnerschaft mit Neuruppin. Die Idee, Steine aus der Mauer, die Deutschland teilte, herausbre­chen, stand Pate als die beiden zur Ehe ausersehen wurden.

Mit dem Ende des deutschen Teilung ging diese Motivation verloren. In den ersten drei Jahren beteiligen sich mehr als zehn Vereine oder Schulen an dem Austausch und brachten es auf  300 Teilnehmer. Seit 1993 sank die Zahl  ab. Seit 13 Jahren sind es stets nur zwei bis drei Begegnungen jährlich in den beiden Städten - mit bis zu 20 Teil­nehmern. Gerade einmal drei Vereine – das Frauenforum, die Freiwillige Feuerwehr  und der Thea­terverein Randfall Productions – beteiligen sich mit großem Engagement auf Bad Kreuznacher Seite. Bei den Schulen pflegt die Lihi-Bigband eine enge Partnerschaft mit Big Brass Neuruppin. Immerhin noch 20 Vereine und Schulen sind beim Austausch mit Bourg-en-Bresse aktiv.

Bürgerfahrten im Zwei-Jahres-Rhythmus finden nach wie vor reges Interesse, offizielle Begegnungen stehen regelmäßig auf dem Programm.
„Themen und Anreize setzen, die weniger historisch-politisch motiviert sind, sondern den gegenwär­tigen und zukünftigen Interessen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger der drei Städte – gleich welchen Alters – entsprechen“, sei eine entscheidende Aufgabe für die nachhaltige Kultivie­rung der Städtepartnerschaften. Im umfangreichen Programm des Jubiläums Ende Mai war daher auch ein Workshop enthalten, den die Politologin Sara Haas leitete, die in Paris und Potsdam just zum Thema Städtepartnerschaften promoviert wird.
30 Deutsche und Franzosen nahmen sich die Zeit, um nach einem Impulsreferat in einem moderier­ten Workshop zu verschiedenen Themengruppen konkrete Vorschläge zu erarbeiten. „Dabei ergaben sich sehr innovative Ansätze, für die wir in Zukunft Partner suchen werden, um sie zu verfolgen“, erläutert Heinrich.
Die AG Kommunikation und Sichtbarkeit sah vor allem die Aufgabe, an der Überwindung der Sprach­barriere zu arbeiten und die öffentliche Wahrnehmung der Städtepartnerschaft zu verbessern. 

Bei der Sprachförderung sollte auch die Frühförderung in den Kitas ebenso wie die Erwachsenenbildung über die VHS in den Blick genommen werden. Theater, Chöre und Ausstellungen könnten wie bisher kulturelle Botschafter und Plattformen der Begegnung sein. Dabei sei es auch wichtig, nicht nur „fer­tige Stücke“ in der jeweiligen Städtepartnerschaft zu präsentieren, sondern Theaterstücke, Chorpro­gramme usw. gemeinsam zu erarbeiten.

Zudem wäre es wünschenswert, größere Events mit Breitenwirkung zu organisieren – und gleich mehrere Städte zusammen zu bringen. Dabei wurde betont, gerade im Hinblick auf die jüngere Gene­ration müssten Angebote des Städtepartnerschaftsaustauschs Erlebnis- und Unterhaltungswert bie­ten. Sie müssten als Event organisiert werden. Ideal wäre dafür etwa ein Ferienlagerprogramm, das von einem erfahrenen Träger der Jugendarbeit organsiert werden könnte. Dazu gehöre auch, dass die Städtepartnerschaften interaktiv in den sozialen Medien vertreten sein müssten.
Eine eigene Arbeitsgruppe widmete sich gezielt den denkbaren Veranstaltungsformaten der Zukunft: Regionalmärkte, multinationale Musikfeste, Tourismusmessen, Sportfeste, gastronomische Wettbe­werbe wurden genannt.
Die AG Vernetzung zeigte auf, dass es zwar alleine zwischen deutschen und französischen Städten 2200 Städtepartnerschaften gebe, aber keinen fruchtbaren und systematischen Erfahrungsaus­tausch. Neben Konferenzen wäre ein Internetplattform zum Erfahrungsaustausch und als Kontakt­börse ein hilfreiches Instrument. Vor allem auch Themennetzwerke für Sportvereine, Kultur, Wirt­schaft könnten innovativ sein.

Ein riesiges Aufgabenfeld stellt der derzeit noch gar nicht entwickelte Austausch in Sachen Ausbil­dung und Arbeitsmarkt dar. Aktuell vermitteln die Koordinationsstellen vor allem Praktikanten im Übergang von  schulischer und universitärer Ausbildung. Dies könne zur regelrechten Job- und Aus­bildungsbörse der drei Partnerstädte ausgebaut werden. Alle drei Städte müssten dafür genuin Wirt­schaftsunternehmen bzw. Netzwerke und Arbeitsmarktakteure gewinnen.
„Wie dies alles zu erreichen ist, das fragt man sich natürlich zuerst?“, so Heinrich. Jede dieser Aufga­benstellungen sei nur erfolgreich zu bearbeiten, wenn die Koordinationsstelle für Städtepartner­schaften, die mit Christine Simmich unter Leitung von Michael Vesper seit vergangenem Jahr bei der GuT installiert ist, Partner gewinnt.  Heinrich ist zuversichtlich, dass diese Art von Netzwerkarbeit erfolgreich und bezahlbar sein kann. Er erinnert daran, dass durch das ehren­amtliche Engagement von vielen Mitwirkenden, durch die Unterstützung durch Gemeinden, Vereine und Sponsoren auch beim Jubiläum die Kosten im Griff gehalten wurden. Aufwendungen für Hono­rare, Busse, Hotelerie, Gastronomie und Veranstaltungsorganisation in Höhe von 90.000,-- € standen Einnahmen in Höhe von 42.000,-- € gegenüber, die durch Eigenanteile bei den Essen, Beiträge zu den Busfahrten oder Sponsorenzahlungen zustande kamen. „Mehr werden wir auch in Zukunft nicht mehr ausgeben können“, betonte Heinrich und zeigt sich zuversichtlich, dass mit dem neuen Förder­verein und den neuen Impulsen, auch ein neues Netzwerk entstehen könne, das die Städtepartner­schaft zukunftsfähig weiterentwickelt. „Dabei müssen wir bei uns anfangen, aber auch das Gespräch mit den beiden Partnerstädten suchen.“.

Vor allem aber soll Städtepartnerschaft Spaß machen, des­halb ist der erste Schritt nach der Sommerpause: ein Helferfest mit Filmbericht der e-bike-Tour nach Bourg-en-Bresse Ende September.

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